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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland
Entscheidungsform:Urteil
Datum:13.07.1992
Aktenzeichen:VK 16/1991
Rechtsgrundlage:§ 9 Abs. 3 PrO; §§ 5 Ziffer 5c, 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 PrO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Erste Theologische Prüfung
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Leitsatz:

1. Den Mitgliedern des Prüfungsamtes steht ein Beurteilungsspielraum zu, in den nicht eingegriffen werden darf.
2. Eine Überprüfung oder gar Korrektur der von den Prüfern vergebenen Noten kann nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen geschehen. Eine solche Ausnahme liet vor, wenn der Prüfer von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist, er allgemeingültige Bewertungsgrundsätze nicht beachtet hat (z. B. eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete wissenschaftliche Meinung als falsch bewertet) oder er sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.
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Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebühren- und auslagenfrei.
Die Parteien tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
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Tatbestand:

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Die Antragstellerin unterzog sich im Jahre 1991 bei dem Antragsgegner zum zweiten Male der Ersten Theologischen Prüfung; sie hat sie wiederum nicht bestanden. In den Prüfungsfächern “Altes und Neues Testament” wurden ihre Klausuren mit “mangelhaft” bewertet. Gegenstand der Klausur im Prüfungsfach “Neues Testament” waren eine Übersetzung von Apostelgeschichte Kapitel 1, Verse 1 – 5 und Schwerpunkte Lukanischer Theologie. Ein Prüfer bewertete diese Klausur mit “ausreichend”, zwei weitere Prüfer mit “mangelhaft”.
Wegen der Einzelheiten wird auf diese Voten verwiesen.
In der mündlichen Prüfung vom 13. September 1991 erreichte die Antragstellerin im Prüfungsfach “Altes Testament” ebenfalls nur die Note “mangelhaft”; für ihre Leistungen im Prüfungsfach “Neues Testament” erhielt sie die Note “ausreichend”. Der Notendurchschnitt beträgt 3,652.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Notenübersicht vom 13. September 1991 verwiesen.
Mit einem am 20. September 1991 beim Antragsgegner eingegangenen Schreiben hat die Antragstellerin gegen das Gesamtergebnis der Prüfung Widerspruch eingelegt. Sie beanstandet die Note für ihre Klausur im Prüfungsfach “Neues Testament”. Die Note “mangelhaft” könne sie nicht akzeptieren. Sie habe das gestellte Thema nicht verfehlt und den Prüfungsstoff ausführlich und richtig behandelt.
Durch Bescheid vom 31. Oktober 1991 hat der Beschwerdeausschuß den Widerspruch zurückgewiesen:
Die Bewertung der Klausur der Antragstellerin im Fach “Neues Testament” sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Bewertung einer Leistung sei ein höchstpersönliches Fachurteil des Prüfers nach pädagogisch-wissenschaftlichen Kriterien aufgrund seiner Sach- und Fachkenntnis, dem regelmäßig ein erheblich subjektiver Einschlag anhafte. Anstelle einer absoluten Objektivität der Leistungsbeurteilung, die es im pädagogisch-wissenschaftlichen Bereich letztlich nicht geben könne, trete die Auswahl der fach- und sachkundigen Mitglieder des Prüfungsausschusses. Die Wertung der Prüfer sei unangreifbar und damit fiktiv als richtig hinzunehmen, soweit sie sich im Rahmen des sogenannten Beurteilungsspielraumes halte. Das höchstpersönliche Fachurteil der Mitglieder des Prüfungsausschusses sei nicht schon deshalb fehlerhaft, weil andere Prüfer oder Prüfungsausschüsse ein abweichendes, höchstpersönliches Fachurteil abgeben, das dem Betroffenen richtiger, vernünftiger und günstiger erscheine. Die drei Prüfer hätten sich auch nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 31. Oktober 1991 verwiesen.
Gegen diesen ihr am 27. November 1991 zugestellten Bescheid hat die Antragstellerin mit einem am 23. Dezember 1991 eingegangenen Schreiben die Verwaltungskammer angerufen.
Sie trägt vor:
In der Beurteilung ihrer Klausur im Prüfungsfach “Neues Testament” werde bemängelt, sie habe das Thema “Schwerpunkte Lukanischer Theologie” in nicht ausreichendem Maße behandelt, der Inhalt ihrer Klausur sei vielmehr durch die Behandlung von Einleitungsfragen geprägt. Von einer Verfehlung des Themas könne aber ihrer Meinung nach nicht die Rede sein, da Einleitungsfragen und Theologie des Lukas zwei sich durchaus überschneidende Gebiete seien und sie die Theologie ebenfalls behandelt habe. Zudem werde in den Klausuren laut Prüfungsordnung für das Erste Theologische Examen Grundwissen geprüft. Sie sei sich keiner gravierender inhaltlicher Fehler bewußt und bitte darum, diese Klausur erneut begutachten zu lassen, um zu einer angemesseneren Beurteilung zu kommen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Prüfungsentscheidung des Antragsgegners vom 13. September 1991 und den Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 31. Oktober 1991 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, sie über das Ergebnis ihrer Ersten Theologischen Prüfung neu zu bescheiden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er verweist hierzu auf den Bescheid des Beschwerdeausschusses und führt weiter aus:
Die Beurteilungen der Klausur der Antragstellerin im Prüfungsfach “Neues Testament” seien nicht nur rechtsfehlerfrei, sondern auch inhaltlich sachgerecht und zutreffend. Sämtliche drei Prüfer nennten viele, zum Teil sehr schwere Fehler bei der Übersetzung. Aus den drei Voten gehe hervor, daß die Antragstellerin das Thema der Klausur nicht sachgerecht abgehandelt habe. Die Abschnitte “Aufbau und Inhalt” und “Abfassungszweck” des Lukas-Evangeliums und der Apostelgeschichte seien “in dieser Breite überflüssig”. Dagegen seien die Ausführungen der Antragstellerin zur Theologie des Lukas nicht ausführlich und ausreichend kenntnisreich.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 22. Mai 1992 verwiesen.
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Gründe:

Der Antrag ist nach § 9 Abs. 3 der Prüfungsordnung für die Erste und Zweite Theologische Prüfung zulässig. Die Antragstellerin beanstandet zwar nur eine einzelne Note. Hätte sie damit Erfolg, wäre davon jedoch das Gesamtergebnis der Prüfung beeinflußt (§ 9 Abs. 1 S. 2 aaO). Sie hätte dann zwar die Erste Theologische Prüfung auch beim zweiten Versuch noch nicht ohne weiteres bestanden, weil ihr nach wie vor ein Ausgleich im Prüfungsfach “Altes Testament” fehlen würde, wie sich aus der Notenübersicht vom 13. September 1991 ergibt (§ 5 Ziffer 5 c der Prüfungsordnung für das Erste Theologische Examen). Der Antragsgegner müßte jedoch alsdann entscheiden, ob er der Antragstellerin gemäß § 5 Ziffer 6 b dieser Prüfungsordnung eine Nachprüfung auferlegen will. Die Antragstellerin hätte so immer noch die Chance, die Erste Theologische Prüfung zu bestehen.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Das Prüfungsverfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen. Wie es § 4 Abs. 4 S. 1 der Prüfungsordnung für die Erste und Zweite Theologische Prüfung vorschreibt, ist die Klausur der Antragstellerin im Prüfungsfach “Neues Testament” zunächst von zwei Mitgliedern des Prüfungsamtes begutachtet worden. Da deren Bewertungen nicht übereinstimmten, hatte gemäß § 4 Abs. 4 S. 2 aaO alsdann ein dritter Prüfer im Rahmen der Notenvorschläge der beiden ersten Prüfer, also zwischen “ausreichend” und “mangelhaft”, zu entscheiden. Dies ist unstreitig geschehen.
Die Antragstellerin kann mit ihrem Antrag nicht erreichen, daß die Verwaltungskammer die Noten der drei Prüfer überprüft oder gar korrigiert. Dies könnte nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen geschehen; ein solcher Ausnahmetatbestand liegt hier nicht vor.
Den Mitgliedern des Prüfungsamtes steht nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungskammer ein Beurteilungsspielraum zu, in den sie nicht eingreifen darf, weil sie keine größere Fachkompetenz als der Prüfer hat. Nur in folgenden Fällen kann sie eine Note überprüfen oder korrigieren: Der Prüfer ist von einem falschen Sachverhalt ausgegangen; er hat allgemein gültige Bewertungsgrundsätze nicht beachtet (z. B. eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete wissenschaftliche Meinung als falsch bewertet) oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen.
Solche Bewertungsfehler sind den drei Prüfern nicht unterlaufen. Sie haben vielmehr die Klausur der Antragstellerin im Prüfungsfach “Neues Testament” in auch für die Verwaltungskammer nachvollziehbarer Weise bewertet. Allen drei Voten ist zu entnehmen, daß die Antragstellerin das Thema der Klausur nicht kenntnisreich und ausführlich genug abgehandelt hat. So spricht der erste Prüfer von mäßigen Kenntnissen, die allzu wortreich präsentiert würden. Der zweite Prüfer beanstandet, daß die Antragstellerin zunächst ausführlich Einleitungsfragen zum Lukas-Evangelium referiert habe, was von der Themenstellung nicht gefordert sei. Die aus dem Lukas-Evangelium abzuleitende Theologie hat die Antragstellerin nach dem Urteil des zweiten Prüfers zu kurz abgehandelt, wie sich auch daraus ergibt, daß er hierzu schreibt: “Endlich auf Seite 6 kommt Vf. zum Thema: zwei Seiten zum Thema “Heilsgeschichte”. Weiter kennzeichnet dieser Prüfer die Leistungen der Antragstellerin mit den Worten “einige dürftige Sätze zur Theologie der Apostelgeschichte”. Auch der dritte Gutachter spricht von einer sehr breiten Darstellung und von sehr viel Einleitungswissen. Er schreibt weiter, was als “Theologie” angeboten werde, sei dann eher bescheiden und biete auch noch Einleitungswissen, ohne auf die großen Themen wirklich einzugehen, Bibelkunde tue es jedenfalls nicht.
Durch Einsicht in die Klausur der Antragstellerin im Prüfungsfach “Neues Testament” hat sich die Verwaltungskammer davon überzeugt, daß die drei Prüfer von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen sind. Die Antragstellerin verwendet tatsächlich jeweils 3,5 Seiten für die Abschnitte “Aufbau und Inhalt” sowie “Abfassungszweck” des Lukas-Evangeliums und der Apostelgeschichte. Über die Theologie des Lukas, das eigentliche Thema der Klausur, referiert sie auf jeweils 1,5 Seiten, und das auch nach dem Eindruck der Verwaltungskammer nur wenig kenntnisreich. Man erfährt zu wenig über Wesen und Inhalte Lukanischer Theologie.
Ein weiterer schwerer Mangel der Klausur der Antragstellerin sind die Übersetzungsfehler.
Bei dieser Sachlage muß es dabei verbleiben, daß die Klausur der Antragstellerin im Prüfungsfach “Neues Testament” entsprechend dem Votum des dritten Prüfers nur mit “mangelhaft” bewertet werden kann (§ 4 Abs. 4 S. 2 der Prüfungsordnung für die Erste und Zweite Theologische Prüfung). Dies führt dazu, daß die Antragstellerin gemäß § 5 Ziffer 5 c der Prüfungsordnung für das Erste Theologische Examen auch die Wiederholungsprüfung nicht bestanden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 29 VwKG.