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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland
Entscheidungsform:Urteil
Datum:24.03.1997
Aktenzeichen:VK 20/1996
Rechtsgrundlage:Artikel 88 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz KO, Artikel 116 Abs. 1 und 3 KO, Artikel 83 Abs. 1 Satz 1 KO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Entlassung aus dem Presbyteramt
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Leitsatz:

  1. Lässt sich ein Presbyter wissentlich in einer nicht rechtmäßig einberufenen Presbyteriumssitzung zum stellvertretenden Vorsitzenden des Presbyteriums wählen und sich danach in Kenntnis der Unrechtmäßigkeit seiner Wahl als solcher geriert, so ist dies mit den Pflichten als Presbyter nicht vereinbar.
  2. Die Drohung mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde für den Fall, dass ein Pfarrer die ihm vom Superintendenten erteilte dienstliche Anordnung befolgt, ist im Sinne des Artikels 88 Abs. 1 Satz 1 KO unwürdig und steht mit den Pflichten eines Presbyters nach Artikel 83 Abs. 1 Satz 1 nicht im Einklang.
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Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebühren- und auslagenfrei.
Der Antragsteller trägt die außergerichtlichen Kosten der Parteien.
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Tatbestand:

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Das Verfahren hat die vom Kreissynodalvorstand des Antragsgegners (im folgenden: KSV) beschlossene Entlassung des Antragstellers aus dem Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde E. zum Gegenstand.
Neben seiner bisherigen Tätigkeit im Presbyterium ist der Antragsteller einer der beiden Geschäftsführer der Senioren-Zentrum Evangelische Kirchengemeinde E., die 1978 von der Evangelischen Kirchengemeinde E. und dem Evangelischen Stadtkirchenverband E. (im folgenden: Stadtkirchenverband) errichtet wurde, der inzwischen beschlossen hat, als Gesellschafter aus dieser Gesellschaft auszuscheiden.
In einem Schreiben an die Kirchenleitung vom 6. Juni 1996 teilte der Presbyteriumsvorsitzende, Herr Pfarrer Dr. P., Herrn Landeskirchenrat D. unter anderem mit, daß er im Zusammenhang mit der Befolgung der dienstlichen Anordnung des Superintendenten, den Presbyteriumsbeschluß vom 3. Juni 1996 betreffend die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung nicht auszuführen bzw. dafür zu sorgen, daß diese nicht stattfinde, von Herrn B. (Antragsteller in dem Verfahren VK 18/1996) und von dem Antragsteller unter Druck gesetzt worden sei. So habe ihn der Antragsteller im Gemeindehaus angerufen und ihn vor die Frage gestellt, ob er ein entsprechendes Schreiben abzusenden gedenke. Der Antragsteller habe die Einleitung einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn in Aussicht gestellt, wenn dies der Fall sein sollte.
Pfarrer Dr. P. bat in diesem Schreiben um ein Gespräch über die Möglichkeiten, die ihm gegeben seien, sich gegen solche Drohungen zu schützen, bzw. um Aufklärung darüber, welche rechtlichen Konsequenzen durch die Kirchenleitung solches Verhalten von seiten der genannten Presbyter haben werde.
Während der Erkrankung des Presbyteriumsvorsitzenden lud der Presbyter B. als Kirchmeister durch Schreiben vom 30. August 1996 zu einer außerordentlichen Sitzung des Presbyteriums am Montag, den 2. September 1996, ein. Als Tagesordnungspunkte waren unter anderem vorgesehen:
2)
Feststellung der Nichteinhaltung der Einladungsfrist gemäß Artikel 116 Abs. 3 KO
3)
Beschlußmäßige Erfassung des Rücktritts des Presbyters X. (stellv. Vorsitzender).
(Dieser hatte mit Schreiben vom 21. Juli 1996 seinen Rücktritt vom Presbyterium erklärt – Zusatz von der Verwaltungskammer).
4)
Nachwahl des stellv. Vorsitzenden.
In einem Schreiben an den KSV vom selben Tage informierte der Presbyter B. diesen von der Einberufung der außerordentlichen Presbyteriumssitzung zwecks Teilnahme eines Mitgliedes des KSV.
Durch Schreiben vom 30. August 1996 an den Presbyter B. über das Gemeindeamt der Evangelischen Kirchengemeinde E. teilte der Superintendent Herrn B. nach Absprache mit Herrn Landeskirchenrat D. mit, daß zur Einberufung einer Sondersitzung für den Kirchmeister keine Rechtsgrundlage bestehe, weil kein dringender Notfall bestehe; daß eventuelle Beschlüsse einer Zusammenkunft am 2. September 1996 unrechtmäßig seien und er – der Superintendent – dringend bitte, den von Herrn B. anberaumten Termin am 2. September 1996 abzusagen.
Das Presbyterium wählte in der durchgeführten Sitzung vom 2. September 1996 den Antragsteller zum stellvertretenden Vorsitzenden des Presbyteriums. In einem Schreiben vom 3. September 1996 setzten die Presbyter B. und S. (beide in ihrer Funktion als Kirchmeister) den Antragsgegner von dieser Wahl in Kenntnis.
Durch Schreiben vom 3. September 1996 an das Presbyterium wies der Superintendent unter anderem darauf hin, daß das Presbyterium am 30. September 1996 erst einmal klären müsse, wer Kirchmeister im Sinne der Kirchenordnung und damit anstelle des Vorsitzenden bzw. des stellvertretenden Vorsitzenden gegebenenfalls unterschriftsberechtigt sei. Da die Einladung zu einer Sondersitzung des Presbyteriums am 2. September 1996 durch den Kirchmeister B. unrechtmäßig gewesen sei, seien alle bei dieser Zusammenkunft gefaßten sogenannten Beschlüsse rechtsunwirksam.
Dieses Schreiben wurde über die Übermittlung per Telefax an das Gemeindeamt der Evangelischen Kirchengemeinde E. hinaus jedem Mitglied des Presbyteriums am 4. September 1996 in Kopie per Post zugesandt.
Durch Schreiben an das Landeskirchenamt vom 4. September 1996 beantragte der Superintendent, daß die Kirchenleitung die Zusammenkunft des Presbyteriums vom 2. September für unrechtmäßig und die dort gefaßten Beschlüsse für ungültig erkläre.
(Das Landeskirchenamt hat inzwischen in seiner Sitzung vom 22. Oktober 1996 beschlossen, die Beschlüsse des Presbyteriums vom 2. September 1996 gemäß Artikel 219 KO aufzuheben).
Durch weiteres, an das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde E. zu Händen Herren Kirchmeister B. und S. gerichtetes Schreiben des Superintendenten vom 4. September 1996 ordnete dieser dienstaufsichtlich an, daß der Antragsteller bis zur Klärung der Rechtssituation in der Presbyteriumssitzung am 30. September 1996 keinerlei Rechte als stellvertretender Vorsitzender des Presbyteriums wahrnimmt, weil der entsprechende sogenannte Beschluß vom 2. September 1996 unrechtmäßig und rechtsungültig sei. Dieses Schreiben wurde dem Gemeindeamt der Evangelischen Kirchengemeinde E. am 4. September 1996 um 12.38 Uhr per Telefax übermittelt.
Durch Schreiben vom 20. September 1996 luden die Presbyter B. und S. als Kirchmeister sowie der Antragsteller als stellvertretender Vorsitzender des Presbyteriums dieses zu einer Sitzung am 30. September 1996 ein. Die Presbyter B. und S. (beide in ihrer Funktion als Kirchmeister) setzten den Antragsgegner von diesem Termin durch Schreiben vom 23. September 1996 in Kenntnis.
Der Superintendent teilte dem Antragsteller durch Schreiben vom 24. September 1996 daraufhin mit, daß der KSV ein Verfahren gemäß Artikel 88 KO einleiten werde, da er die Anordnung des Superintendenten vom 4. September 1996, bis zur Klärung der Rechtssituation keinerlei Rechte als stellvertretender Vorsitzender wahrzunehmen, mißachtet und die Einladung zur Presbyteriumssitzung am 30. September 1996 als stellvertretender Vorsitzender unterschrieben habe.
Durch Schreiben vom 25. September 1996 setzte der Superintendent das Presbyterium unter anderem davon in Kenntnis, daß die mit Datum vom 20. September 1996 ergangene Einladung zur Presbyteriumssitzung am 30. September 1996 rechtsungültig sei und er diese Zusammenkunft des Presbyteriums am 30. September 1996 dienstaufsichtlich absage. Ferner teilte er dem Presbyterium mit, daß er gegen den Antragsteller beim KSV ein Verfahren zur Abberufung vom Presbyteramt gemäß Artikel 88 KO einleiten werde.
Durch Schreiben an das Presbyterium vom 27. September 1996 berief der Superintendent in Absprache mit der Kirchenleitung eine dienstaufsichtliche Anhörung des Presbyters B. und des Antragstellers sowie des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde E. durch den KSV ein. Ferner teilte er dem Presbyterium mit, daß die Kirchenleitung und der KSV das Presbyterium E. einbestellten, um es gemäß Artikel 133 KO zu mahnen.
Den Termin für die Anhörung und die Einbestellung des Presbyteriums setzte der Superintendent auf Montag, den 7. Oktober 1996 fest.
In der am 7. Oktober 1996 erfolgten dienstlichen Zusammenkunft des Presbyteriums E. mit der Kirchenleitung und dem KSV wurden der Antragsteller sowie der Presbyter B. gemäß Artikel 88 KO angehört und das Presbyterium durch den KSV und die Kirchenleitung gemäß Artikel 133 KO gemahnt.
In seiner Sitzung vom 9. Oktober 1996 faßte der KSV des Antragsgegners den Beschluß, den Antragsteller gemäß Artikel 88 KO aus dem Presbyteramt zu entlassen, und teilte dies dem Presbyterium durch Schreiben vom 10. Oktober 1996 sowie dem Antragsteller durch Schreiben vom 14. Oktober 1996 mit.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte der KSV im wesentlichen aus: Die Einlassung des Antragstellers, er habe von der dienstaufsichtlichen Verfügung des Superintendenten vom 4. September 1996 nach der unrechtmäßigen Sitzung am 2. September, daß er keinerlei Funktionen als stellvertretender Vorsitzender wahrnehmen dürfe, nichts gewußt, sei unglaubwürdig. Im übrigen hätte der Antragsteller auch ohne Kenntnis der dienstaufsichtlichen Verfügung vom 4. September wissen müssen, daß seine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden nicht rechtmäßig gewesen sei, weil die Einberufung der Sitzung am 2. September als unrechtmäßig zu erkennen gewesen sei. Im übrigen sei sie von dem Presbyter B. auch als unrechtmäßig bezeichnet worden. Es sei offensichtlich gewesen, daß kein Vertreter des KSV anwesend gewesen sei. Der Antragsteller habe bei der Anhörung am 7. Oktober zugegeben, daß er von der Unrechtmäßigkeit der Sitzung am 2. September, in der er zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden sei, gewußt habe. Das enge Informationsgefüge der Presbytergruppe, die die gegenseitigen Konflikte zu verantworten habe, mache es undenkbar, daß der Antragsteller von der ihn betreffenden dienstaufsichtlichen Verfügung des Superintendenten vom 4. September bis zum 20. September (dem Datum seiner Unterschrift als stellvertretender Vorsitzender) keine Kenntnis gehabt. Der Antragsteller habe nach eigener Auskunft bis zum 20. September keine anderen Unterschriften als stellvertretender Vorsitzender geleistet; dies zeige, daß er zunächst der Anordnung des Superintendenten Folge geleistet habe. Die Unterschrift auf der Einladung zur Sitzung am 30. September habe bewußt den Anspruch des Antragstellers deutlich machen sollen, daß er die Unrechtmäßigkeit seiner Wahl nicht anerkenne und er stellvertretender Vorsitzender sei. Spätestens bei dieser Unterschrift hätten Herr S. und Herr B. dem Antragsteller die ihn betreffende dienstliche Verfügung des Superintendenten vom 4. September mitteilen müssen, da sie mit unterzeichnet hätten. Der Antragsteller habe damit bewußt unrechtmäßig gehandelt und eine grobe Pflichtwidrigkeit begangen. Bei der Anhörung am 7. Oktober habe er seine Unkenntnis nicht glaubwürdig machen können. Vor dem Hintergrund der aktiven Mitwirkung des Antragstellers im Gemeindekonflikt und vor dem Hintergrund der mehrfachen Mahnungen des Superintendenten halte der KSV die unrechtmäßige Unterschrift als stellvertretender Vorsitzender auf der Einladung zum 30. September für einen Schlußpunkt der aktiven Mitwirkung des Antragstellers an der unrechtmäßigen Gemeindeleitung unter Ausschaltung des vorsitzenden Pfarrers. Gegen das unwürdige Verhalten des Antragstellers, wie es im Brief des Pfarrers vom 6. Juni 1996 an die Kirchenleitung dokumentiert sei und in einem Brief der Presbyterin Y. und des Presbyters K. vom 25. Juni 1996 angezeigt werde, sei der KSV schon mahnend vorgegangen. Der KSV müsse auch die ständige Uneinsichtigkeit gegenüber seinen Mahnungen als grobe Pflichtwidrigkeit des Antragstellers festhalten. Pfarrer S. habe dem KSV die Mitwirkung des Antragstellers bei der Verschärfung des Konfliktes berichtet. Auch der Superintendent, Herr Oberkirchenrat B. und Herr Landeskirchenrat D. hätten dieses Verhalten des Antragstellers erlebt. Zu diesem unnachgiebigen, auch Unrechtmäßigkeiten in Kauf nehmenden Verhalten gehöre auch die Aktion des Antragstellers als Geschäftsführer der Senioren-Zentrum gGmbH, die zur Auflösung des Aufsichtsrates geführt habe. Das Verhalten des Antragstellers habe wesentlich dazu beigetragen, daß der Evangelische Stadtkirchenverband als Mitgesellschafter der Senioren-Zentrum gGmbH inzwischen ausgeschieden sei, weil das Vertrauen in den Antragsteller als Geschäftsführer nicht mehr gegeben gewesen sei. Der Mitgeschäftsführer, Herr M., Hauptgeschäftsführer des Evangelischen Heimstättenwerkes E., sei wegen des Verhaltens des Antragstellers zurückgetreten. Letztendlich sei der Antragsteller aktiver Teil einer Presbytergruppe, die versucht habe, die rechtmäßige Leitung der Gemeinde zu unterlaufen. In einer angespannten Situation habe sich der Antragsteller bewußt eine unrechtmäßige Funktion als stellvertretender Vorsitzender angemaßt. Der KSV könne nach dieser letzten groben Pflichtwidrigkeit um der Zukunft der Gemeinde willen das Verbleiben des Antragstellers im Presbyterium nicht mehr zulassen.
Der Antragsteller hat durch Schriftsatz vom 18. Oktober 1996 am 21. Oktober 1996 gegen den Bescheid des KSV des Antragsgegners vom 14. Oktober 1996 die Verwaltungskammer angerufen.
Zur Begründung seines Antrages führt der Antragsteller im wesentlichen aus: Als grob pflichtwidrig werde ihm angelastet, daß er sich in einer unrechtmäßigen Sitzung des Presbyteriums am 2. September 1996 zum stellvertretenden Vorsitzenden habe wählen lassen und als solcher Dienstgeschäfte geführt habe. Er bestreite eine die Entlassung rechtfertigende Pflichtverletzung: Zur Sitzung am 2. September 1996 habe der Kirchmeister B. in Absprache mit dem weiteren Kirchmeister S. in Vertretung des wegen Krankheit verhinderten Vorsitzenden Pfarrer Dr. P. eingeladen. Zu der auf Betreiben des Superintendenten anberaumten Sitzung am 30. September 1996 habe der Antragsteller gemeinsam mit den beiden Kirchmeistern B. und S. eingeladen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, daß das Presbyterium ihn als gewählten stellvertretenden Vorsitzenden, der Superintendent dagegen mangels wirksamer Wahl die Kirchmeister für einladungsbefugt halte, so daß nach jeder Auffassung die Einladung wirksam gewesen sei. Vorsorglich weise er darauf hin, daß das im Bescheid genannte Schreiben des Superintendenten vom 4. September 1996 an die Kirchmeister dem Antragsteller erst nachträglich mit Schreiben vom 24. September 1996 übermittelt worden sei. Es sei schlechthin unverständlich, was an dem Verhalten grob pflichtwidrig sein solle. Daß die Ordnungsmäßigkeit von Einladungen und die Wirksamkeit von Beschlüssen streitig sei, bedeute nicht die Pflichtwidrigkeit der einen oder anderen Auffassung. Der Bescheid verstoße darüber hinaus zumindest gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Beanstandet werde die Wahrnehmung formaler Funktionsaufgaben. Um diese zu entziehen, bedürfe es keiner Entlassung aus dem Presbyteramt insgesamt mit der schwerwiegenden Folge des Verlustes der Wählbarkeit auf nicht absehbare Zeit. Die weiteren in dem Bescheid im wesentlichen durch Bezugnahmen und Pauschalurteile genannten Umstände beträfen nicht das Verhalten des Antragstellers in seiner Eigenschaft als Presbyter, erschienen daher unerheblich und würden vorsorglich bestritten.
Der Antragsteller beantragt,
den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Oktober 1996 aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er trägt zur Begründung seines Antrages im wesentlichen vor:
Trotz Mahnungen, schriftlicher Hinweise und dienstaufsichtlicher Anordnungen habe der Antragsteller weiter unrechtmäßige Mittel eingesetzt, um das Presbyterium auf seinen Zugriff auf die Gemeindeleitung festzulegen. Hintergrund des Konfliktes sei der schon seit Jahren bestehende Vorwurf einer großen Gemeindegruppe, sie werde von der verantwortlichen Mitarbeit in der Gemeinde bewußt ausgeschlossen. In mehreren Gemeindeversammlungen hätten der KSV und die Kirchenleitung versucht, dem Presbyterium eine Zusammenarbeit mit dieser Gruppe zum Wohle der Gesamtgemeinde nahezulegen. Da nun nach den letzten Presbyteriumswahlen zwei Vertreter dieser Gruppe im Leitungsgremium mitarbeiteten und auch der Pfarrer sich als der gesamten Gemeinde zugewiesen verstehe, also nicht eindeutig für die Seite der Presbyteriumsmehrheit votiere, sei die Machtfrage gestellt worden. Außerordentliche Sitzungen seien ohne den Vorsitzenden einberufen worden, die unrechtmäßige Inanspruchnahme des Kirchmeisteramtes und des stellvertretenden Vorsitzes zeigten an, daß ein Interessenausgleich zwischen den Gruppen zum Wohle der Gemeinde bei der Presbyteriumsmehrheit nicht gewollt gewesen sei.
In der ersten mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 1996 hat der Antragsteller unter anderem bekundet, daß er am 5. Juni 1996 mit Herrn Pfarrer Dr. P. ein Telefongespräch von schätzungsweise nur einer Minute geführt habe. Hierbei sei er sehr erregt gewesen, weil er aus dem Gemeindeamt gehört gehabt habe, daß die Sitzung vom 29. Juni 1996 habe abgesagt werden sollen. Er habe bei dem Gespräch Herrn Dr. P. aber nicht unter Druck gesetzt und insbesondere das Wort Dienstaufsichtsbeschwerde als Druckmittel nicht verwandt.
Die Verwaltungskammer hat daraufhin die Sache zwecks weiterer Sachverhaltsaufklärung vertagt.
Ferner hat sie durch Beschluß vom selben Tage den Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die vom Superintendenten des Antragsgegners ausgesprochene sofortige einstweilige Beurlaubung des Antragstellers abgelehnt (AZ: VK 19/1996).
In ihrer zweiten mündlichen Verhandlung vom 24. März 1997 hat die Verwaltungskammer den von ihr vorsorglich geladenen Zeugen Dr. P. darüber gehört, ob der Antragsteller ihm für den Fall, daß er eine vom Presbyterium beschlossene außerordentliche Gesellschafterversammlung absage, eine Dienstaufsichtsbeschwerde angedroht habe.
Des weiteren hat sie in dieser mündlichen Verhandlung die von dem Antragsteller gestellten Zeugen X. und K. als Zeugen darüber gehört, ob Herr Dr. P. auch selbst die Presbyter zu der Presbyteriumssitzung vom 3. Juni 1996 eingeladen hat.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. März 1997 Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im übrigen wird ergänzend auf die Akte der Verwaltungskammer – auch in dem Verfahren VK 19/1996 – sowie auf die von dem Antragsgegner eingereichten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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Gründe:

Die Verwaltungskammer ist zur Entscheidung über das Begehren des Antragstellers gemäß § 2 Abs. 3 Verwaltungskammergesetz (VwKG) in Verbindung mit § 88 Abs. 2 Satz 2 Kirchenordnung (KO) berufen.
Der Antrag ist auch im übrigen zulässig, insbesondere fristgemäß im Sinne des Artikels 88 Abs. 2 Satz 1 KO bei der Verwaltungskammer anhängig gemacht worden.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Der KSV des Antragsgegners hat zu Recht beschlossen, den Antragsteller aus dem Presbyteramt zu entlassen.
Die formellen Anforderungen an eine Entlassung des Antragstellers aus dem Presbyteramt sind erfüllt, insbesondere sind der Antragsteller und das Presbyterium gemäß Artikel 88 Abs. 1 Satz 2 KO gehört worden.
Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die von dem KSV des Antragsgegners beschlossene und von dem Antragsteller angegriffene Maßnahme sind gegeben.
Der Antragsteller hat grob pflichtwidrig gehandelt und damit die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des Artikels 88 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz KO erfüllt.
Er hat mehrfach ein Verhalten gezeigt, das mit seinen Pflichten als Presbyter nicht vereinbar ist.
So hat er sich in einer nicht rechtmäßig einberufenen Presbyteriumssitzung vom 2. September 1996, deren Beschlüsse ebenfalls unrechtmäßig waren und inzwischen vom Landeskirchenamt aufgehoben wurden, zum stellvertretenden Vorsitzenden des Presbyteriums wählen lassen und hat als solcher (neben den Presbytern B. und S.) durch Einladungsschreiben vom 20. September 1996 zu der Presbyteriumssitzung vom 30. September 1996 eingeladen, die vom Presbyteriumsvorsitzenden wegen dessen Erkrankung abgesagt worden war. Er hat mithin nach außen zu erkennen gegeben, daß er sich als stellvertretender Vorsitzender des Presbyteriums betrachtet, und hat entsprechend gehandelt, obwohl dies mit geltendem Recht deshalb nicht vereinbar ist, weil die Einladung zu der Sitzung vom 2. September 1996 unter Verstoß gegen Artikel 116 Abs. 1 und Abs. 3 KO zustande gekommen war.
Der Antragsteller hat anläßlich seiner Anhörung vom 7. Oktober 1996 auch eingeräumt, daß er von der Unrechtmäßigkeit der Sitzung vom 2. September 1996 gewußt habe. Er hat dennoch, obwohl er von dem Superintendenten in dessen Schreiben vom 3. September 1996 darauf hingewiesen worden war, daß die Einladung zur Sondersitzung des Presbyteriums am 2. September 1996 unrechtmäßig sei und alle bei dieser Zusammenkunft gefaßten sogenannten Beschlüsse rechtsunwirksam seien, unter Umgehung des amtierenden Vorsitzenden des Presbyteriums ohne zwingenden Grund Gemeindeleitung für sich in Anspruch genommen und ist jedenfalls für die Einladung vom 20. September 1996 zu der Presbyteriumssitzung vom 30. September 1996 als stellvertretender Vorsitzender tätig geworden. Er hat sich daher in Kenntnis der Unrechtmäßigkeit seiner Wahl zum stellvertretenden Presbyteriumsvorsitzenden am 2. September 1996 auch danach noch als solcher geriert, indem er das Einladungsschreiben vom 20. September 1996 mit unterzeichnet hat. Dieses Verhalten ist mit seinem nach Artikel 84 Abs. 2 KO abgegebenen Gelübde, wonach die Presbyter unter anderem bei allen ihnen anvertrauten Aufgaben und Diensten die geltenden Ordnungen der Evangelischen Kirche im Rheinland zu beachten haben, nicht vereinbar.
Von dieser Pflichtwidrigkeit des Antragstellers abgesehen, hat dieser Herrn Pfarrer Dr. P. massiv unter Druck gesetzt, als dieser die dienstaufsichtliche Anweisung des Superintendenten befolgen wollte, den in der Sitzung des Presbyteriums vom 3. Juni 1996 gefaßten Beschluß der Durchführung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 29. Juni 1996 nicht auszuführen.
Zur Überzeugung der Verwaltungskammer steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, daß der Antragsteller Herrn Pfarrer Dr. P. am 5. Juni 1996 im Gemeindeamt telefonisch eine Dienstaufsichtsbeschwerde für den Fall angedroht hat, daß Pfarrer Dr. P. eine ihm von dem Superintendenten erteilte dienstliche Anordnung befolge. Der Zeuge Dr. P. ist insofern bei seinen bisherigen, im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben geblieben und hat diese auch auf Vorhalt der abweichenden Bekundungen des Antragstellers vom 10. Dezember 1996 bestätigt.
Die Verwaltungskammer hat keinen Anlaß, an dem Wahrheitsgehalt der insgesamt eher zurückhaltenden und von dem Bemühen um Sachlichkeit und Genauigkeit geprägten Aussage des Zeugen Dr. P. zu zweifeln. Besonderes Gewicht kommt inwieweit dem Umstand zu, daß sich die – über neun Monate nach dem 5. Juni 1996 gemachten – Angaben des Zeugen Dr. P. mit seinen in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu diesem Geschehnis verfaßten Brief an die Kirchenleitung vom 6. Juni 1996 decken.
Allein der Umstand, daß der Zeuge K. im Zusammenhang mit dem Presbyteriumstreffen vom 3. Juni 1996 ein Telefongespräch mit Herrn Dr. P. behauptet, an das dieser sich nicht mehr erinnern kann (im übrigen jedoch einräumt, daß dieses stattgefunden haben könnte), vermag demgegenüber nicht dazu zu führen, den Zeugen Dr. P. insgesamt als unglaubwürdig anzusehen.
Die – von dem Antragsteller in Abrede gestellte, zur Überzeugung der Verwaltungskammer nach den obigen Darlegungen jedoch feststehende – Androhung einer Dienstaufsichtsbeschwerde in einem Fall wie dem vorliegenden ist im Sinne des Artikels 88 Abs. 1 Satz 1 KO unwürdig
vgl. dazu Becker, Die Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland mit Erläuterungen, Stand: Dezember 1990, Artikel 88 KO Rd.-Nr. 3 (“Der Tatbestand der Pflichtwidrigkeit nach Abs. 3 ist dann gegeben, wenn der KSV eine grobe Pflichtversäumnis oder ein schwerwiegendes unwürdiges Verhalten (s. Abs. 1) festgestellt hat.”)
und steht mit den Pflichten eines Presbyters nach Artikel 83 Abs. 1 Satz 1 KO nicht in Einklang, wonach die Presbyter dazu berufen sind, im Presbyterium in gemeinsamer Verantwortung mit den Pfarrern und den übrigen Mitgliedern des Presbyteriums die Kirchengemeinde zu leiten.
Das Gesamtverhalten des Antragstellers, das davon geprägt ist, die von ihm verfolgten Interessen unter Umgehung des Presbyteriumsvorsitzenden und durch unangemessene Drohungen im gegenüber durchzusetzen, stellt sich daher – unabhängig von der Bewertung seines Verhaltens im Zusammenhang mit der gGmbH und dem Trägerverein für das Senioren-Zentrum – insgesamt als grob pflichtwidrig dar und erfüllt den Tatbestnad des Artikels 88 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz KO.
Indem der KSV des Antragsgegners in seinem Bescheid vom 14. Oktober 1996 darauf hinweist, daß um der Zukunft der Gemeinde willen das Verbleiben des Antragstellers im Presbyterium nicht mehr zugelassen werden könne, hat er auch das ihm nach Artikel 88 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz KO eingeräumte Ermessen ausgeübt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 29, 31 Satz 1 VwKG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).